PPR-NEWS
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KW 23/2024
Warum die Erhöhung der Bedeutung Europas für Deutschland zur Erhöhung der Wahrnehmung der Arbeit in Brüssel geführt hat: Eine Analyse zur Wahl des Europäischen Parlaments
„Hast du einen Opa, schick‘ ihn nach Europa“
„Ach, Europa“, seufzen viele, wenn sie an die Europäische Union (EU) denken. Wer seinem Kind das Staatenbündnis erklären will, hat es nicht leicht. Menschen finden sich in Gemeinschaften zusammen, Gemeinschaften bilden eigene Staaten, doch wie gelingt es bei der Vielzahl und der Vielfalt von fast dreißig Ländern, alle Wünsche und Bedürfnisse unter einem Hut zu bringen, wenn selbst kleinste Gemeinschaften wie Familien oder Lebensgemeinschaften in vielen Fragen des Alltages miteinander in Unfrieden sind? Der deutsche Philosoph Immanuel Kant hat bereits in seinem Werk „Zum Ewigen Frieden“ versucht, vorherzusagen, wie zwingend notwendig und richtig der Zusammenschluss aller Staaten sei, damit diese nicht im Kriegszustand zueinanderstehen, sondern klug, weise und vernünftig agieren. Sich in einem Bündnis der Vernunft zusammenzufinden, würde bedeuten, dass der Krieg untereinander nur eines wäre: Geschichte. Tatsächlich hatten die Gründungsväter und -mütter vor, dass die Staaten mehr und mehr Macht nach Brüssel geben. Doch das ist aus Sicht der Freunde der EU noch nicht erreicht. Vor allem haben die Staaten bis heute noch nicht das Budgetrecht und das Recht auf eine eigene Armee abgegeben. Früher wurden alternde Politikerinnen und Politiker nach Brüssel abgeschoben, sodass eine Redewendung entstand, die die fehlende Bedeutung und damit fehlende Wahrnehmung umschrieb: „Hast du einen Opa, schick‘ ihn nach Europa.“
Früher Raumschiff Bonn, heute Raumschiff Brüssel?
Heute ist das ein wenig anders: Heute können die EU und ihre Ministerinnen und Minister überall in die nationale Gesetzgebung eingreifen. Im Grunde kann keine nationale Regierung mehr ohne die Beschlüsse der EU entscheiden. Dass die EU eine Erfolgsgeschichte geworden ist, steht unumstößlich damit fest, dass es im Staatenbündnis bis heute keinen Krieg gibt. Wer jedoch, ohne Experte zu sein, sich in die Europäische Gesetzgebung begibt, weiß, wie komplex das Bündnis geworden ist und damit die Sorge einher geht, dass die EU an ihrer eigenen Größe zerbrechen könnte. Der Austritt Großbritanniens ist eines der jüngsten Ereignisse, der belegt, dass Kants Vision von Einigkeit der Nationalstaaten brüchig geworden ist. Am 9. Juni findet die Wahl zum Europäischen Parlament statt. Wer den Friedensgedanken als entscheidend ansieht, ist berufen für sich zu überlegen, durch die Wahl an einer Zukunft für die EU aktiv teilzuhaben. „Ach, Europa“, müsste sich dann wandeln in ein „Mit mir, Europa“.