PPR-NEWS

662

KW 49/2024

Deutschland wird stärker denn je Doppelmoral vorgeworfen: Warum unser Land unsere Interessen zu bestimmen lernen muss

Doppelmoral als Vorwurf 

Es kommt nicht häufig vor, dass Außenminister anderer Länder sich in einem deutschen Leitmedium wie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung äußern. Aber die deutsche Kritik an Katar veranlasste selbigen Außenminister genau dazu. Mohammed Al Thani beschwerte sich, dass beim Fußball andere Maßstäbe gelten würden als in der Energiepolitik Deutschlands. Wenn es um die Energiepartnerschaft ginge – katarisches Gas als Ersatz für fehlende russische Lieferungen –, würde Deutschland auf Augenhöhe mit seinem Land agieren. Die von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und anderen geforderten Sicherheitsgarantien für LGBTQ-Menschen für die WM empören jedoch den Außenminister. Für ihn ist der Befund klar: Doppelmoral. Und tatsächlich kommen deutsche Medien zum gleichen Befund. Von der konservativ-liberalen Welt über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bis zur linken Berliner Zeitung. Deutschland scheitert mal wieder an den Widersprüchen der eigenen Außenpolitik.  

 

Wer soll die Welt gestalten?  

Das Austarieren zwischen Interessen und Moral ist Kern des politischen Geschäfts. Das gilt in der Innenpolitik genauso wie in der Außenpolitik. Die veröffentlichte Debatte in Deutschland hat stärker als in anderen demokratischen Staaten die Tendenz zu moralisieren. In der Innenpolitik sorgen Lobbyisten, Verbände, Nichtregierungsorganisationen und Fachpolitiker dafür, dass Debatten und Reformen die Interessen der Zielgruppen nicht verlieren. In der Außenpolitik fehlt dieses Korrektiv. Veröffentlichte Debatten neigen zu einer Moralisierung, die von der Politik nicht mehr eingefangen werden kann. Es werden beispielsweise Forderungen gestellt, die nicht umsetzbar sind. Andere Initiativen wiederum können ohnehin keinen politischen Effekt entfalten und verkommen so zur leeren Pose. Forderungen nach Einhaltung von internationalem Recht sind berechtigt. Doppelmoral hilft bei der Umsetzung dieses Rechts jedoch nicht. Eine Politik, die ihre Interessen definiert hat und daran mangelt es in Deutschland aus historischen Gründen –, kann im Stillen besser helfen, als wenn sie sich zur Weltstimme erhebt. Russland, China und auch die Weltorganisation des Fußballs, die FIFA, kämpfen mit harten Bandagen. Wo ist Deutschlands Platz in der Welt? Wenn wir unsere Interessen nicht lernen zu definieren und umzusetzen, dann sind sie es, die die Welt gestalten.

Zurück

Diese Website nutzt Cookies, um bestmögliche Funktionalität bieten zu können. Hier erfahrt ihr alles zum Datenschutz