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KW 49/2024

Ein Familienunternehmen aus Deutschland, das alles richtig macht: der Technologiekonzern Heraeus und der erfolgreiche Abtritt des alten Herrn

An die Familie das Unternehmen übertragen, gelingt wenigen

Was sind Familienunternehmen? Die Antwort auf diese Frage erscheint einfach. In der Praxis Firmen zu finden, die an den Sohn oder die Tochter übergeben werden, ist bereits eine schwierige Aufgabe. Wer weiß, wie die Übergabe einer Firma an die nächste Generation häufig ein unmögliches Unterfangen ist, wundert sich, wie dieses Kunststück anderen gelingt. Nun gibt es den deutschen Technologiekonzern Heraeus. Die Firma arbeitet schwerpunktgemäß mit Edel- und Sondermetallen, Produkten der Medizintechnik oder auch Speziallichtquellen. Ich bin mir sicher, dass diese Firma wenige auf dem Schirm haben. Ihre Kommunikation ist derart zurückhaltend, dass ihre Leistung wenig bekannt ist. Das Unternehmen, 1851 gegründet, zählt nach seinem Umsatz zu den großen Familienunternehmen Deutschlands. In einer Wettbewerbsliste der Zeitung „Wirtschaftsblatt“ steht es auf Rang elf. Wie kann das nur gelingen, derart lange Familienmitglieder an sich gebunden zu haben, ohne verkauft worden, zerteilt oder untergegangen zu sein? Eine der Antworten liefert der Älteste der Familie, der in diesen Monaten seinen letzten Posten aufgibt: Jürgen Heraeus, der mit seinen 84 Jahren auf dem Fahrrad durch seine Stadt fährt.

Jemand, der UNICEF Deutschland reorganisierte

Ob Jürgen Heraeus ein Familienpatriarch zu nennen ist, weiß ich nicht. Das Wort „Patriarch“ entstammt einer Zeit, als Männer das alleinige Sagen hatten und ist deshalb sehr negativ belastet. Nun hat Jürgen Heraeus in vielen Jahren die Firma als Vorsitzender der Geschäftsführung geleitet und den Erfolg vorangetrieben. Seine Kinder und angeheirateten Kinder treten in große Fußstapfen. Wer bedenkt, wieviel Jürgen Heraeus neben der Verantwortung für Heraeus an Aufgaben übernahm, kann hier durchaus von einem guten Patriarchen sprechen, auch wenn diese Führungskultur nicht länger zeitgemäß ist. Ihm ist es zu verdanken, dass UNICEF Deutschland wieder in ruhiges Fahrwasser gelenkt wurde. Als Vorsitzender organisierte er den Kinderschutzbund der Vereinten Nationen von 2008 bis 2018 neu. Auch sein Engagement in den Verbänden weist stark darauf hin, dass er sich der Verantwortung eines Unternehmers auch für die Gesellschaft stellte. Die aufgewendete Zeit geht auf Kosten des Privatlebens. In der FAZ räumte er ein: „Nach Meinung meiner Kinder und Enkel bin ich zu viel unterwegs.“ Er, Vater von fünf Töchtern, sagte dort jetzt: „Ich tue mich schwer damit, nur herumzusitzen und zu faulenzen.“ So hat er nun zwar alles abgegeben, was die Firma angeht. Dass er in seiner Stadt als Bürger unter Bürgerinnen und Bürgern weiterhin zu sehen sein wird, scheint sicher. Und zwar ohne Chauffeur, sondern auf einem Fahrrad.

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