PPR-NEWS
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KW 20/2024
Der neue Hass in einer alten Welt: Wie die Sozialen Medien die Gesprächskultur verroht haben und was vielleicht dagegen hilft
Es begann mit den Online-Medien, es begann früh
Wer von Anfang an die Entwicklungen des Internets professionell begleitet hat, der wusste, wie schlimm es kommen kann. Bereits zu Zeiten der ersten Internet-Dienstleister ließen viele Chaträume Aussagen, Behauptungen und Verfälschungen zu, die weit entfernt von Verstand, Sitte und Anstand waren. So hat es sich Jahr für Jahr fortentwickelt. Wer früh die Online-Ausgaben selbst von großen Qualitätsmedien begleitete, erkannte auch früh, dass dort anonym Kommentare und Einträge von Lesern eingestellt wurden, die jenseits dessen waren, was ein kritischer Leserbrief in den Jahrzehnten zuvor gewesen war. Wenn also in diesem Jahr verschiedene Initiativen seitens der Bundesregierung, der Wirtschaft und privater Organisationen sich aufmachen, sich gegen den Hass im Internet zu stellen, dann kommen diese Abwehrhandlungen sehr spät. Heute senden Millionen von Menschen in Deutschland Wörter, Bilder und Filme über die Sozialen Medien und Plattformen des Internets und empfangen im Gegenzug häufig ungefiltert, was andere tausendfach senden. Die Maßstäbe einer journalistischen Arbeit, darunter die sachkundige Prüfung von Quellen auf ihren Wahrheitsgehalt, können nicht bei allen Usern gelernt sein, da der Beruf des Redakteurs eine Ausbildung erfordert, um solche Maßstäbe zu kennen, einzusetzen und zu vermitteln. So hat der Hass sich im World Wide Web weiter ausgebreitet, und, frei nach Johann Wolfgang von Goethe, werden wir die Geister nicht mehr los, die wir gerufen haben. Was ist zu tun?
Fünf Hinweise, wie Sie sich besser schützen
Jede Person, die heute im Internet kommuniziert, kann sich im Grunde vor den kleinen und großen Formen der Hass-Kultur nicht wirksam schützen. Fünf Hinweise möchte ich gleichwohl geben, die Gefahren minimieren und die helfen sollen, im eigenen Umfeld eine gute Gesprächskultur aufrechtzuerhalten: Erstens, prüfen Sie jedes Wort, jedes Bild und jeden Film, den Sie einstellen, genau auf die Frage hin, ob sie ihn selber wirklich sehen wollen und ihre Familie auch. Zweitens, schreiben Sie jedes Wort und jeden Satz nur so, wie Sie ihn auch sprechen würden. Jede Kommunikation online bedarf des Hinterfragens, ob Sie das auch mündlich dem Gegenüber sagen würden. Drittens, politische Äußerungen sind fast tabu für Sie in der Online-Welt. Keine Einschätzung kann derart verknappt werden, ohne dabei Seriosität und Unangreifbarkeit zu verlieren. Viertens, sortieren Sie mit Bedacht die Menschen ein und aus, die Sie in Sozialen Medien, in Newslettern oder wo auch immer begleiten dürfen. Scheuen Sie sich nicht, den einen oder anderen zu verabschieden, wenn er sich als nicht wertig darstellt. Und, fünftens, lernen Sie, Kommentare und anderes auch mal unkommentiert stehen zu lassen. Das World Wide Web ist Realität und wird es bleiben. Lernen wir, wie es bestmöglich geht – gut wird es nicht mehr.