PPR-NEWS

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KW 38/2024

Das Verlangen nach mehr Lockerheit, ausgedrückt durch die Arbeitskleidung

Die Pandemie als Auslöser für ein neues Modeverständnis?

Die Entwicklung von Kleidungsnormen ist zwar dynamisch, doch es benötigt gewisse Zeiträume, bis sich diese tatsächlich verändern. Eigentlich. Die Corona-Pandemie fungierte nämlich in den letzten Jahren als Beschleuniger. Laut Carl Tillessen, Autor und Analyst des Deutschen-Mode-Instituts, habe in nur eineinhalb Jahren eine Entwicklung stattgefunden, die sonst ein Jahrzehnt lang gebraucht hätte. Die gesammelten Arbeitserfahrungen während des Lockdowns waren prägend für das aktuelle Verständnis einer angemessenen Arbeitskleidung. Ein Hauptargument für den seriösen Dresscode lag früher stets darin, durch den Kleidungsstil vom Gegenüber respektiert zu werden. Tillessen stellt fest, dass jener Respekt im Miteinander auch mit einem getragenen Sweatshirt erhalten blieb. Neue Denkansätze, die sich nun durch die Pandemie rasant etabliert haben, entwickelten sich allerdings ohnehin schon. Es ist nicht mehr die Wall Street, an der sich orientiert wird, sondern das Silicon Valley. Der Weg war also schon gegeben, doch erst durch die Pandemie nahm er Fahrt auf.T-Shirt und Sweater statt Hemd und Anzug Eine Studie der Unternehmensberatung Bearingpoint zeigt die Veränderungen von Kleidungsnormen seit der Pandemie auf. Vom Industriebereich bis hin zu öffentlichen Ämtern besteht mittlerweile ein Verlangen nach Kleidungsstilen, die von T-Shirts und Sweatern geprägt sind. Diese möchten 62 Prozent der Studienteilnehmenden im Büro tragen. Darüber hinaus haben die letzten Jahre den ohnehin schon stark abgeschwächten Trend der Krawatte beendet. Ein Anteil von gerade einmal zwei Prozent möchte diese noch bei der Arbeit tragen. Die Studie offenbart zusätzlich, was für Einsparungen dadurch entstanden sind. Der Durchschnitt liegt bei jährlich 700 Euro, die durch den Verzicht des bis dahin etablierten Dresscodes eingespart werden konnten. Nichtsdestotrotz besteht bei höheren Amtsträgern weiterhin der Anspruch, sich vom Rest abzugrenzen und das nach außen zu zeigen. Der Unterschied ist in einigen Unternehmen allerdings subtiler geworden. Eventuell tragen bald Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber wie ihre Teammitglieder am gleichen Tag ein ähnliches Oberteil. Statt über der Krawatte oder dem Hemd erfolgt die Abgrenzung dann über Qualitätsstandards des Stoffes und den getragenen Marken. Auch wenn kleine Unterschiede in der Kleidung auf verschiedenen Hierarchieebenen wahrscheinlich bleiben: Über den „Casual Friday“ spricht in der Wirtschaft heute kaum noch jemand. Und das ist gut so.

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